Rassengeschichte der Zwerge

Aus Heldenreich

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Der Zwerg saß gemütlich auf dem viel zu großen Stuhl, und seine Füße baumelten eine halbe Armeslänge über dem Boden. Neben ihm stand ein Fass, in dass er gerade seinen Humpen tauchte. Die Spur der Tropfen zog sich vom Holzfass über die geölte Kettenrüstung bis zu dem langen, dunkeln Bart, doch das störte ihn nicht im Geringsten. In einem Zug leerte er den Humpen und knallte ihn auf den Tisch. Mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck fuhr er sich mehrmals durch den Bart, verrieb damit die Tropfen des Bieres und legte die beiden hineingeflochtenen Zöpfe zurecht. Seine Stirn zog noch tiefere Falten, als er sich umsah und die anwesenden Menschen,Orc´s,Dunkelelfen und Lichhtelfen im Schankraum betrachtete. Dann wendete er sich wieder dem Schreiberling zu, der vor ihm am Tisch saß.

„Eins vorweg. Wir sind Zwerge und heißen auch so. Nicht Kleinwüchsige, Kurzbeinige oder Unterirdische. Nenn mich jemals anders und es setzt eine Tracht Prügel die sich gewaschen hat.“ Das war der Moment, in dem der junge Mönch beschloss, der Aufforderung Folge zu leisten und doch etwas zum Trinken zu bestellen. Nach dem ersten Schluck und einem kurzen Nicken fuhr der Zwerg fort:

„Meine Name ist Bumpel vom Clan Excalibur, und das, was ich dir jetzt erzähle, ist die Geschichte der Zwerge, wie sie auch mir erzählt wurde.“

Noch einmal füllte er den Humpen in dem Fass und nahm einen kräftigen Schluck, bevor er mit der eigentlichen Geschichte begann.

„Lange bevor ihr Menschen,Orc´s,Dunkelelfen und Lichhtelfen dieses Land betratet, entstieg der Erste der Flamme, weil er es so wollte. Die Esse des Lebens, in der die Ewige Flamme brennt, befand sich tief unter den Bergen in einer einfachen Höhle, und sogleich machte er sich an die Arbeit, denn er wusste, dass der Ursprung unseres Volkes mehr Pracht verdient hatte. Riesige Hallen und Gänge trieb er in den unnachgiebigen Stein, um diesem Ort seine angemessene Größe zu verleihen. Das Feuer versorgte ihn mit Wärme und dem nötigen Licht, während er Hunderte von Jahren arbeite ohne zu ruhen. Erst als die letzte Unebenheit ausgemerzt hatte und auch die kleinste Verzierung seine Zustimmung fand, gönnte er sich einen Tag der Ruhe. An diesem Tage verliess er zum ersten Male die steinernen Hallen und betrat die Welt ohne Dach. Nicht das Licht der Sonne blendete ihn, denn die Ewige Flamme brannte viel heller. Nein, die seltsamen Farben schmerzten in seinen Augen; und doch betrat er den riesigen Wald, der bis an die Füße der Berge heranragte, denn es verlangte ihm nach Gesellschaft. Das Halbdunkel unter den Bäumen behagte ihm nicht, denn die Zweige und Blätter warfen sich im Wind hin und her und bildeten einen unstetigen, ja fast schon launischen Schutz. Die Bäume, Büsche und Blumen waren ungeordnet, ein Wirrwarr aus Farben und Formen, und die Tiere, die er sah, waren schwach und ängstlich. Selbst der Wolf flüchtete vor ihm. Als er dann das erste Mal einen der hölzernen Riesen berührte, erwachte in ihm plötzlich der Hunger. Das Feuer, welches immer noch in seinem Inneren loderte, musste gespürt haben, dass es Nahrung gefunden hatte. Ein wenig verwirrt über diese Empfindung, denn niemals zuvor hatte er Hunger oder gar Durst verspürt, gab er dem Grummeln in seinem Magen nach und jagte sich einen Bären. Doch das rohe Fleisch wollte ihm nicht so richtig schmecken, und so brach er einige kräftige Äste ab und kehrte zur Esse des Lebens zurück. Er gab dem Feuer was es wollte, und dafür erlaubte es ihm, einen Teil der Flamme in die Welt ohne Dach hinauszutragen. So konnte er das Bärenfleisch zubereiten und essen. Als er dann satt war, steckte er das restliche Fleisch ein und setzte seine Reise fort. Es dauerte nicht lange und er traf auf den Stammvater der Elfen, der untätig im Gras lag und faulenzte. Doch weil auch der Erste für diesen Tag die Arbeit ruhen ließ und außerdem darüber erfreut war, endlich jemanden getroffen zu haben, mit dem er sprechen konnte, setzte er sich zu ihm und fragte ihn, ob auch er all dieses geschaffen habe und sich nun einen Tag Ruhe gönne. Verduzt sprang das Langohr auf und schaute auf den Ersten der Zwerge hinab. Da er nicht vorgehabt hatte, den Fremden zu erschrecken, bat er ihn sich wieder zu setzen und bot ihm freundlich ein Stück Bärenfleisch an.“

Bumpel gönnte sich einen kräftigen Schluck Zwergenbier, um seine Stimme zu ölen.

„So sind die Spitzohren. Sie verweigern einem die Gastfreundschaft und begegnen Freundlichkeit mit Hohn und Spott. Zumindest warf der Bartlose unserem Stammvater unzählige Beleidigungen an den Kopf und verlangte von ihm, dass er den Wald verließ. Als der Erste dann seine Stimme erhob, um das Langohr daran zu erinnern, wer der Ältere von beiden war, und den ihm zustehenden Respekt verlangte, flüchtete der Elf sich ängstlich wie in Vogel in den Schutz der Bäume. Enttäuscht von der schwachen Welt und ihren ängstlichen Wesen zog sich der Erste daraufhin in die Stollen zurück und versiegelte den Eingang. Er wusste, dass die Gesellschaft, die er suchte, nicht unter der Sonne zu finden war, aber da er auch nicht länger alleine sein wollte, schuf er die ersten Statuen. Mit den Jahren wurden diese immer mehr, in allen nur erdenklichen Formen und Größen, und eine jede von ihnen ein zwergisches Meisterwerk. Die Statuen vor den Toren eurer Stadt wirken sicherlich imposant, doch mit den Augen eines Zwergen betrachtet sind sie nur ein Gesellenstück. Es ist so, als hättet ihr sie nur zur Hälfte vollendet. Haut, bei der man selbst die kleinsten Falten erkennen kann, Bärte, bei denen man die einzelnen Haare spüren kann und Gesichtszüge, die nahezu lebendig sind, all dies fehlt euren Werken.“ Der Zwerg hielt inne, als er bemerkte, dass die Begeisterung über die Werke seines Volkes ihn abschweifen ließ. Die kurze Pause nutzte er für einen weiteren Schluck, bevor er seine Erzählung fortsetzte.

„Auch wenn sein Herz an jedem seiner Werke hing, so waren ihm doch diejenigen am liebsten, die er nach seinem Abbild erschuf. Und unter diesen gab es eine Statue, die selbst unter den Meisterstücken hervorstach. Ein Werk wie es auch einem zwergischem Meister nur einmal in seinem Leben gelingt, die Perfektion seiner Handwerkskunst. Eine Arbeit von unnachahmlicher Schönheit muss es gewesen sein, denn die Geschichte besagt, dass der Erste sich nicht mehr von ihr losreißen konnte. Da er der Einsamkeit überdrüssig war, berührte er diese Statue und sie erwachte zu Leben, weil er es so wollte. Dem Fels entstieg Vanada, die Zweite, Herrin der Schmiede und treue Gefährtin des Ersten. Sie allein kennt seinen Namen, ist sie doch die Mutter der Zwerge.

So fand die Einsamkeit des Ersten ein Ende, und er teilte mit ihr sein Wissen. Er lehrte sie die Kunst, den Stein zu bearbeiten, und schon bald kam ihre Fähigkeit der seinen gleich, war sie doch selbst dem Fels entstiegen. Doch diese Arbeit berührte nicht ihr Herz, und als der Erste dies sah, führte er sie zur Esse des Lebens, denn er wollte nicht, dass ihre Liebe zu ihm ihr einziger Antrieb war. Durch die Ewige Flamme erlangte Vanada das Wissen über den Stahl, und mit Freude ließ sie den schweren Hammer auf dem glühenden Metall tanzen. Sie schmiedete besseres und genaueres Werkzeug, und der Gesang der Schmiede drang durch die mächtigen Hallen. Beflügelt von den Klängen, die ihn mit jedem Schlag an ihre Anwesenheit erinnerten und die Einsamkeit aus seinem Herzen vertrieben, begann der Erste mit einer ganz besonderen Arbeit. Er wählte einen bläulich schimmernden Stein, den er in den Tiefen eines unterirdischen Sees gefunden hatte, und liess sein Herz Hammer und Meißel leiten. Schon bald klangen die Stimmen von Stahl und Stein gemeinsam durch die Hallen, und als der Erste sein Werk beendet hatte, hauchte er ihm Leben ein und schenkte der Schmiedin eine Tochter. Weil er es so wollte, erhob sich Vana, die Ruhige, das erste Kind der Zwerge, geboren aus dem Stein des unterirdischen Meeres.

Von ihrem Vater lernte sie die Kunst des Steines und von ihrer Mutter das Schmiedehandwerk. Doch obwohl sie beide Künste beherrschte, fühlte sie sich ihnen nicht zugetan. Vieles versuchte sie und obwohl ihr das Bearbeiten von Edelsteinen ein Lächeln ins Gesicht trieb, bereitete es ihr nicht so eine Freude, wie ihrer Mutter die Arbeit an der Schmiede. Erst als sie eines Tages ihrem Vater bei seiner Arbeit zuschaute, kam ihr der Gedanke. Die Verzierungen und Linien, die der Erste schuf, waren schön anzusehen, doch sie besaßen keine Bedeutung. Zumindest keine, die ihr Vater ihr erklären konnte. Und so machte sie sich an die Arbeit und verlieh jedem Zeichen eine Bedeutung, denn sie ist die Mutter der Runen. Ihr Geist und ihre Hand schufen die Schrift der Zwergenrunen, welche den Dingen Namen verleiht.

Ergriffen von dem Glück ihrer Tochter und dankbar für die Liebe des Ersten, begann die Schmiedin ein Werk, für das sie sich die Hilfe Vanas erbat. Aus ihrem besten Stahl schuf sie zwei Statuen, jede nach einem Abbild, das ihrem Geiste und ihrer Liebe entsprang. Als der letzte Schlag Vanadas getätigt, war es dann ihre Tochter, die mit ihrer Schrift den metallenen Körperteilen eine Bedeutung verlieh. Mit der Hilfe der Ewigen Flamme hauchte die Schmiedin den Statuen Leben ein und schenkte dem Ersten zwei Söhne: Rumpel und Bumpel.


Rumpel lernte das Handwerk seines Vaters, während es Pumpel an die Schmiede seiner Mutter zog. Beide liebten ihre Schwester sehr und wollten sie beschützen. Daher schmiedete ihre Mutter ihnen mächtige Waffen, mit denen sie Melly auf ihren langen Reisen, die sie unternahm, um den Dingen einen Namen zu geben, begleiteten. Viele Abenteuer erlebten die Drei, sowohl innerhalb der Stollen als auch in der Welt ohne Dach. Auch begegneten sie den Spitzohren und wurden von ihnen angegriffen. Aber das ist eine andere Geschichte. Soviel lass dir nur gesagt sein, Schreiberling, die beiden Brüder hatten sich zu meisterlichen Kriegern entwickelt. Nichts und niemand hielt Rumpels Hammer und Bumpels Axt stand. Während ihre Tochter und ihre beiden Söhne unterwegs waren, fanden ihre Eltern zum ersten Male wieder Zeit für sich, und so geschah es, das seine Frau eine Tochter gebar. Als erstes leibliches Kind der Beiden vereinte sie die Kraft der Flamme ihres Vaters und die Ruhe des Felsens ihrer Mutter in sich. Sie war Bambina, die erste Heilerin der Zwerge, und weil sie selbst dem Fleische entsprang, beherrschte sie auch dessen Heilung meisterlich. Schnell lernte sie auch die Krankheiten des Geistes zu lindern; dann schon bald wurden ihre Künste gebraucht.

Der Zwerg unterstrich seine Worte, indem er sich mit der Faust dreimal gegen die Brust klopfte und das Kettenhemd laut klimpern ließ, „.. macht uns zu unüberwindlichen Kriegern, und wie unserem Urvater stellt sich uns niemand ungestraft in den Weg. Rumpel Blutaxt hatte jedoch die Heilerin Melly an seiner Seite, denn nur ihre sanfte Hand konnte sein aufbrausendes Temperament in Zaum halten. Und siehst du hier irgendwo eine Zwergin, Schreiberling? Ich glaube ich sollte jetzt schon mal Vorsorge treffen, dass in deinen Schriften tatsächlich nur das Wort Zwerge auftaucht!“ Die Tatsache, das Bumpel seine beidseitige Axt in der Rechten hielt, während er mit der Linken sanft über die Klinge der Waffe streichelte, sowie der drohende Unterton gepaart mit dem Funkeln in den Augen des Zwerges ließen den jungen Schreiberling panisch aufspringen und Hals über Kopf die Taverne verlassen. Der Knall, als die Tür ins Schloss flog wurde bereits vom Lachen des Zwerges übertönt. Laut schlug er mit seinen Fäusten auf den Tisch, so dass sein Humpen über das Holz wanderte. Schon bald hielt er sich die Seite, denn lange hatte er nicht mehr so gelacht. Er musste dem jungen Burschen einen gehörigen Schrecken eingejagt haben, denn er hatte selbst seine Tasche vergessen.

„Ach was solls,“ dachte sich Bumpel, „der wird schon wiederkommen, und dann kann ich ihm erzählen, wie die Zwerge ihr Königreich gründeten und wie sie die Ewige Flamme mit sich trugen. Wie der Erste und seine Frau sich in die Ersten Hallen zurückzogen und diese versiegelten, um von dort dem Treiben ihrer Kinder zuzuschauen. Wie die Elfen den Clans die Nahrung verweigerten, die die Flammen ohne die Esse des Lebens benötigten, und wie es darauf zum Krieg mit den Spitzohren kam.“

Grinsend nahm der Zwerg einen Schluck Zwergenbier. Menschen waren nun mal recht neugierig. Der Junge würde sicherlich bald zurückkehren...

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